Nur einer von fünf Sternen
Beim besten Willen, ich kann die Krankheit Depression nicht empfehlen. Könnte man auch null Sterne vergeben, die Depression bekäme gar keinen Stern von mir, aber das Bewertungssystem sieht ja immer noch einen Stern als schlechteste Wertung vor. Aber hier geht es ja nicht um das Bewertungssystem, hier geht es um meine Erfahrungen als Kunde mit der Krankheit Depression.
Sie schlich sich so an mich heran, sie stellte sich mir nicht vor. Sie hätte mir ja die Hand reichen können und sagen „hallo, ich bin die Depression, Sie sind jetzt mein Kunde. Darf ich du sagen? Wir werden ja eine Weile miteinander zu tun haben.“
Nein, so ist sie nicht, sie ist nicht nett und höflich, freundlich ist sie schon gar nicht. Sie hat auch gar nicht erst gefragt, sie duzt mich einfach.
Wo war ich?
Ach ja, sie hat sich hinterlistig angeschlichen, geradezu heimtückisch. Ja, es waren schon Veränderungen, meine Gefühle haben sich verändert. Nur ist es in meinem Fall so, dass ich schon vorher das war, was man „psychisch krank“ nennt, ich war das schon als Kind, ich war das schon immer, deshalb merkte ich zwar durchaus eine Veränderung, aber meine Gefühle haben sich auch vorher schon verändert, nur war es so, dass es mir seit geraumer Zeit eigentlich allmählich besser ging.
Und dann hat sie sich heimtückisch an mich heran geschlichen.
Ich glaube, das hat mit ihr zu tun, dass mir fad und langweilig war, langweilig und fad. Wenn Sie es also so wollen, hat die beginnende Depression, falls sie es denn war, mich zu „Georg langweilt sich“ inspiriert, aber danach habe ich dann lange Zeit gar nichts mehr geschrieben. Die psychotische Erkrankung hat mich auch immer davon abgehalten, produktiv zu sein, ich war nie sonderlich produktiv, das muss ich schon zugeben. Aber egal, ich habe halt wenig geschrieben.
Hier geht es um meine Erfahrungen als Kunde mit der Depression.
Um mich zu wiederholen, nein, die Krankheit Depression kann ich als Kunde gar nicht empfehlen.
Ich habe immer stark gefühlt – dann kam sie, sie hat mich eine Zeit lang wenig bis gar nichts fühlen lassen.
Wenn man nicht fühlt, wie soll einen das dann belasten?
Ich kann es nicht erklären, es hat mich belastet. So weit ich das weiß und von anderen Kunden mitbekommen habe, wir dieses nicht fühlen allgemein als Belastung empfunden.
Bei mir kam das schon früh im Verlauf der Krankheit, dass meine Gefühle zurück gingen. Diese Gefühlsleere brachte mich auch auf dumme Ideen. Das tut sie auch heute noch, auch wenn sie sich inzwischen verändert hat, dazu aber später mehr.
Die erste dumme Idee, auf die sie mich brachte, war, ich könnte doch im Straßenverkehr vor ein fahrendes Auto springen. Nein, kein tödlicher Unfall, nur ein Bein brechen, ein paar Prellungen, damit ich wenigstens den körperlichen Schmerz spüre.
Damals war sie ja fast noch harmlos, aber sie schlich weiter, sie übernahm schrittweise meine Gedanken, wenn ich alleine war bzw. bin.
Wie ich bereits erwähnte, duzt sie mich, ohne mich gefragt zu haben. „Du bist wertlos, niemand wird dich vermissen, über deinen Verlust kämen alle schnell hinweg. Mach es ihnen leicht, erlöse sie von dir.“
Nun ja, solche Sachen halt, das ist doch wirklich nicht nett, was sie mir da einreden will, oder? Sie will, dass ich mich selbst beende, sie will mich tot sehen.
Was aber noch viel schlimmer ist, ich glaube ihr in Phasen, in denen sie mich im Griff hat. Sie hat mein Denken und mein Fühlen übernommen, ich glaube ihr, ich halte mich für überflüssig.
Ich könnte jetzt nicht sagen, sie habe mir die Freude am Leben genommen, die hatte ich noch nie – aber ab und zu empfinde ich Freude, da schleicht sie sich gerne mal dazwischen.
Ich kann immer noch lachen, man merkt mir nicht wirklich an, dass ich ihr Kunde bin, nur zwingt sie mir im Alltag immer wieder Suizidgedanken in mein Bewusstsein, immer wieder.
Ich möchte diese Depression zurück geben, nur ist das gar nicht so einfach, ich habe da wohl unbedacht Vertragsklauseln zugestimmt, die sehr zu meinen Ungunsten ausfallen.
Was ich als Kunde mit der Depression schon erlebt habe, spottet jeder Beschreibung. Auf einer Skala von 1, leichte Unzufriedenheit, bis 10, total unzufrieden, gebe ich ihr eine glatte 10.
Da möchte man ihr natürlich in den Arsch treten, sie zum Teufel schicken. Aber sie ist, wie bereits vorher beschrieben, heimtückisch und hinterlistig. Man bräuchte ja schon Kraft, ihr ordentlich in den Arsch zu treten, nur hat sie ihrem Kunden bis dahin schon die nötige Kraft genommen. Es ist ein Teufelskreis. Und wie das so üblich ist, ist aus Teufelskreisen nur schwierig auszubrechen.
Ich kann Ihnen mit gutem Gewissen nur von der Depression abraten.
Sie lügt, jedenfalls bin ich einmal zu dieser Ansicht gelangt. Jedoch gibt es immer wieder Phasen, in denen ich ihr glaube, dann will ich meinem irdischen Dasein ein Ende setzen. Dann glaube ich ihr, dass alles sinnlos ist, dass es keinen Unterschied macht, ob ich nun da bin oder nicht. Bisher setze ich meinen Wunsch noch nicht in die Tat um, bisher äußere ich meinen Wunsch nach meinem Ende nur auf Twitter. Teilweise bekomme ich dann besorgte Antworten. Allerdings, wie ich bereits schrieb, sie bestimmt mein Denken. Ich glaube die Sorgen nur so halb. Aber dieser halbe Glaube tut mir dennoch gut.
Noch bin ich nicht so weit, dass ich meine Gedanken in die Tat umsetze. Aber was ist, wenn ich vielleicht irgendwann einmal so weit komme, dass ich es doch tun möchte? Dass ich zur Tat schreiten möchte?
Sie ist stark, sie bestimmt meine Gedanken, sie hat mir keinen Glauben gelassen, dass es einmal besser werden könnte. Sie lässt mich die Zukunft düster sehen, sie hat mich fest im Griff.
Und deshalb bekommt die Krankheit Depression von mir nur einen von fünf Sternen, Note ungenügend. Lassen Sie, wenn es denn möglich ist, die Finger von dieser Krankheit, sie kann jede Person treffen.
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen...